Es ist Februar 2024. Ich sitze in der Bahn nach Würzburg und scrolle durch meine Bilder, suchend nach dem Einen für den nächsten Blogbeitrag. Landschaften, Städteszenen, Familie, Hund, ... Katze.... Das bewegt mich - Die Bilder unserer Miez.
Am letzten Freitag ging sie auf ihre letzte Reise. Das meine ich wörtlich, dazu aber später mehr. Einer der das liest wird sich nun vielleicht fragen: "Michael, denkst Du das will jemand lesen?". Ich antworte: "Ich will davon schreiben, mir ist das gerade wichtig." Ja, nur ne Katze, ich verstehe das, andere haben's schwerer und ich sinne einer, äh, meiner Katze nach. Genau das tue ich!
Es beginnt irgendwann 2012, unsere letzte Katze war kürzlich vom Auto überfahren worden. Junge Katzen haben es bei uns schwer! Sie wurden meist überfahren, ein Kater ging spurlos verschwunden. Zu verstehen wäre das, würden wir an einer stark befahrenen Straße wohnen, so ist es aber nicht. Vielleicht ist eine Dorfstraße mit nur ab und an Verkehr auch gefährlicher? - Keine Ahnung, kann sein ... oder auch nicht.
Die Idee: "Wir holen uns eine ältere Katze aus dem Tierheim, die kennt die Gefahren vielleicht besser und überlebt!". Da es in Reichstädt damals nicht so einfach ist eine zu bekommen, fährt die 5 - köpfige Familie zum Tierheim nach Freital. Am Telefon hatten wir erfahren: "Draußenkatze, das gibt's bei uns". In unsere Wohnung wollen wir die Miez definitiv nicht einsperren, dann leben wir lieber ohne.
Eine freundliche junge Mitarbeiterin führt uns in einen großen Raum mit allerlei schnurrbärtiger Modellauswahl. Am Fenster sitzt eine "Dreifarbige" und schaut raus. Ich muss wohl gemeint haben, "Die sehen wir uns mal an." Und so sitzen wir wenig später in einem kleineren Zimmer, die Miez wird hereingebracht. Hops, sie sitzt schon wieder am Fenster und schaut raus. Bei uns kommt an: "Holt mich hier raus, ich will in Wald und Flur!" - Clever, ich würde es genauso machen. Meine Frau ist nicht sicher, aber ich kenne sie: "Wenn wir die nicht nehmen, wirst Du später immer fragen, ob wir nicht die dreifarbige hätten nehmen sollen!"
Cleo ist der Name, aber das sollte die folgenden Jahre keine große Geige spielen. Bei uns ist sie die Miez. Sie ist ca. sechs Jahre alt. Aus dem eher zurückhaltend schüchternen Tier entwickelt sich zu Hause eine kleine Psycho. Wer weiß, was die schon erlebt hat. Vor Füßen hat sie jedenfalls Angst, dafür liegt sie gern in Kartons. Wir meinen, sie hätte die ersten 14 Tage versteckt unter unserem Bett verbracht. Ich kann heute nicht mehr sagen, ob das solange war. Vertrauen hat sie jedenfalls kaum und so können wir sie nur sehr vorsichtig, anfangs angebunden, in die Natur freigehen lassen.
Ich erinnere mich, im ersten Winter leckte sie permanent ihren Bauch, bis man kein Fell mehr sah. Dreifarbige Katze mit nacktem Bauch - schon komisch anzusehen. Zum Glück habe ich davon kein Foto.
Miez ist ein stolzes Tier, was bei Arztbesuchen, Wurmkuren und ach-ja beim Auswischen der immer tränenden Augen zu Kämpfen führt. Was Katzen angeht ist meine Frau Profi, weiß nicht, ob ich das immer so könnte! Es dauert einige Jahre bis Miezi uns uneingeschränkt vertraut und so lernen wir sie nochmal ganz neu kennen. Anhänglich, manchmal nervig bettelnd und immer in unserer Nähe. Sie liebt es die Nacht im Bett unseres Jüngsten zu verbringen. Die beiden haben eine besondere Beziehung.
Trotzdem sie bleibt 100% eigenständig, insbesondere wenn sie ums Haus streicht. Nachbarn dürfen sie nicht berühren, sie fängt Mäuse massenweise, wagt sich an Zwergwiesel heran und bringt leider auch mal (sehr selten) einen Vogel. Wie könnte ein Katzenleben besser sein?
2020 kommt Hund Charly- man einigt sich auf mehr oder weniger friedliche Koexistenz. Ohne jegliche Vorwarnung muss der junge Rüde manche Kralle hinnehmen. Ja, Miezi ist manchmal ein Mistvieh - wer nicht?
Auf den Magen ist sie zeitlebens anfällig und manchmal hat sie es nicht leicht Nahrung drin zu behalten. In den letzten Wochen wird das schlimmer.
Am Freitag (02.02.24) geht Cleo auf ihre letzte Reise. Schon morgens steht sie an der Terrassentür und will raus. Sie hat seit Tagen fast nichts mehr gefressen und uns ist klar, es geht dem Ende entgegen. Draußen ist's noch zu dunkel, dann am Vormittag darf sie endlich vor die Tür. Langsam läuft sie über die Straße, meine Frau holt sie noch einmal zurück, aber sie schlägt danach sofort die selbe Richtung ein. Wir wissen nicht wo sie hinging. Aber wir wissen wo sie ist. Im ersten Buch Mose erfahren wir, dass in Tieren eine lebendige Seele lebt. Die ist nun daheim, ohne Schmerz, ohne Leid!
Klar, wir hätten sie nochmals zum Tierarzt schleppen können, eine erneute Infusion hätte das Unausweichliche etwas hinausgeschoben. Ich sehe sie vor mir, stolz wie immer mit ruhigem Schritt über die Straße schreitend. Diese Straße, die ihr nichts anhaben konnte! Das letzte Lager hatte sie sich schon seit Langem ausgesucht. Wie einer verborgenen Ordnung folgend, war es Zeit nun zu gehen. Ein Wort nur: "Würdig."
Ich sehe zur Scheibe hinaus, die Landschaft fliegt dahin, es wird dunkel. Wie ging noch das alte kirchliche Gebet: "Herr, mach es auch mit meinem Ende gut!" Amen
Nachtrag: Miez wurde von unserem Nachbarn auf seiner Bank unter dem Balkon gefunden. Was sie die letzten Tage so gemacht hat, und weshalb sie nicht mehr heim kam, bleibt ihr Geheimnis.
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